Drei Fragen an Bjarne Utz

Portraitserie Berliner Aktivist*innen, Teil 12

Kurzvorstellung
Hallo! Ich bin Bjarne und setze mich seit über 20 Jahren ehrenamtlich für die Rechte von LGBTQI* Menschen ein.

Als Teil der Dragking-Gruppe „Kingz of Berlin“ habe ich seinerzeit für das Hinterfragen von Geschlechterkonstruktionen und von Zweigeschlechtlichkeit gekämpft — damals noch im weiblichen Körper und in einer lesbisch definierten Liebesbeziehung.

Heute lebe ich immer noch in der selben Beziehung als Transmann und engagiere mich bei BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN als Sprecher* der LAG QueerGrün Brandenburg, um die Queerness auch außerhalb von Ballungszentren sichtbar und lebbar zu machen.

Mein Herzensthema ist das Empowern junger Queers, damit sie selbstbestimmt und selbstbewusst ihr Leben leben können.

Was bedeutet lesbische* Sichtbarkeit für dich?
Ich möchte gern mit Gegenfragen antworten. 

Warum stecken wir “lesbische Sichtbarkeit“ in die Schublade einer offensichtlichen Weiblichkeit und warum sollte uns gerade diese Frage umtreiben?

Kann ein Transmann oder eine Transfrau für lesbische Sichtbarkeit stehen?

Und darf eine Lesbe, die mit einem nicht-binären Transmann zusammen ist, immer noch eine Lesbe sein, oder sollte ihr das Recht auf Selbstdefinition und Selbstbestimmung entzogen werden und sie muss sich ab sofort nur noch hetero definieren?

Und wer darf das überhaupt bestimmen?

Fragen über Fragen…

Welche Idee würdest du gerne verwirklichen?
Ich würde gern die Idee eines Mentorings mit dem Titel „walk a mile in my shoes“ verwirklichen, bei der Menschen mit Menschen komplett anderer Einstellung für einen Monat als Tandem die Wirklichkeit der Person erleben, die sie ablehnen oder Schwierigkeiten damit haben, deren Argumente zu verstehen.

Ich denke, das würde einige Fronten aufweichen, wenn nicht sogar verschwinden lassen.

Das Erleben steht noch immer über dem reinen Zuhören und auch über dem Verstehen.

Deine Wünsche an die Berliner LSBTIQ*-Community…
SOLIDARITÄT! Ich kann es nicht groß genug schreiben. Auch in der Blase vulnerabler Gruppen gibt es ein Privilegiengefälle.

Ich würde mir mehr Selbstreflektion der eigenen Vorteile wünschen und ein emphatisches Mitdenken und Handeln innerhalb unserer Community.

Ein Hinterfragen des Schubladendenkens — wer gehört in welche Gruppe und wer darf oder kann nicht dazu gehören — könnte im besten Fall dazu führen, sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede einzelner Menschen oder Gruppierungen als Stärkung der Community zu verstehen.

Tun wir dies nicht und/oder befeuern wir weiterhin die Nichtbeachtung oder sogar Ausgrenzung bestimmter Menschen, schwächen wir uns selbst und öffnen destruktiven, rückwärtsgewandten Kräften Tür und Tor.

Dinge und Lebensbedingungen ändern sich jeden Tag. Wenn wir es nicht schaffen, offen bereits etablierte Mechanismen zu hinterfragen, bedeutet dies Stillstand und das aktive Leugnen neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Früher war Vergewaltigung in der Ehe straffrei und erlaubt — heute zum Glück nicht mehr.

Das haben wir den Menschen zu verdanken, die dafür lautstark auf die Straße gegangen sind und dafür angefeindet wurden.

Ich würde mir wünschen, dass sich die Menschen, die heute anderen Menschen das Recht auf Selbstbestimmung verwehren wollen, sich noch einmal mit dieser oder ähnlichen Situationen konfrontieren und ihre Haltung überdenken.

Danke.