Hey, ich bin Amari Sharmin Shakoor (keine/er). Aktuell lebe ich in Marburg, habe aber viele Berlin-Bezüge – sei es durch meine bildungspolitische und aktivistische Arbeit oder meine Familie und Freund*innen. Ich bin Lehrkraft, leite als Bildungsreferent*in Antidiskirminierungsprojekte und gebe Workshops zu meinen Themenschwerpunkten rassismuskritische Bildung, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und Klassismus.
Als Autor*in bringe ich in meinen autobiografischen Beiträgen eine Perspektive ein, die in vielen gesellschaftlichen Diskursen noch immer marginalisiert wird: die Betroffenheitsperspektive. Als PoC, als trans nicht-binäre Person, als pflegendes Familienmitglied, als jemand mit Arbeiter*innenklassenerfahrung und Migrationshintergrund sowie als Überlebende*r von Gewalt mache ich deutlich, dass Erfahrungswissen eine unverzichtbare Form von Expertise ist.
Was bedeutet die Sichtbarkeit von queeren FLINTA* Personen die von Rassismus/Antisemitismus betroffen sind, für dich?
Als queere FLINTA*-Person, die Rassismus und/oder Antisemitismus erfährt, bedeutet Sichtbarkeit nicht nur, gesehen zu werden, sondern auch, angreifbar zu sein. In einer Gesellschaft, die queere, rassifizierte und jüdische Menschen immer noch marginalisiert, ist Sichtbarkeit oft ein zweischneidiges Schwert: Sie kann Räume öffnen, Vorbilder schaffen und Verbindung stiften, aber sie kann auch zur Zielscheibe machen. Deshalb ist für mich nicht nur Sichtbarkeit wichtig, sondern auch Schutz, Solidarität und strukturelle Veränderungen. Sichtbarkeit allein reicht nicht, wenn sie nicht mit einem Kampf gegen Diskriminierung, gegen Gewalt und gegen Tokenisierung verbunden ist. Es reicht nicht, dass wir ‚gesehen‘ werden – wir müssen auch gehört werden, Einfluss haben und in Entscheidungen eingebunden sein. Ich wünsche mir eine Welt, in der Sichtbarkeit nicht Mut erfordert, sondern selbstverständlich sicher ist. Denn Sichtbarkeit hat die Macht zu empowern, weil sie uns in Räumen zeigt, die eigentlich nicht für uns gedacht sind.
Welche Ideen würdest du gerne verwirklichen?
Ich möchte Ideen verwirklichen, die Solidarität als gelebte Alltagspraxis fest in unserem gesellschaftlichen Miteinander verankern – und zwar nicht als ein Zustand, den nur Betroffene erreichen, sondern als eine kollektive Praxis, die wir alle mitgestalten. Dabei geht es mir darum, marginalisierte Perspektiven als festen Bestandteil in der Bildungsarbeit zu begreifen, in dem nicht nur die von Diskriminierung direkt
Betroffenen – sondern alle Akteur*innen aktiv mitwirken. Es darf nicht länger eine individuelle Aufgabe sein, sondern eine gesamtgesellschaftliche, bei der beispielsweise Institutionen wie den Kultusministerien oder Hochschulen ihre Verantwortung klar erkennen und konkrete Maßnahmen umsetzen.
Ein Beispiel dafür ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Verbot zur Verwendung geschlechterinklusiver Schreibweise mit Sonderzeichen: Dieses muss als symptomatische Ausdrucksform struktureller Machtverhältnisse hinterfragt werden. So kann Bildung zu einem Werkzeug werden, das nicht nur informiert, sondern auch die Grundlagen für eine solidarische, gerechte Gesellschaft legt.
Wünsche an die (Berliner) LSBTIQ-Community…
Ich wünsche mir, dass wir als (Berliner) LSBTIQ*-Community unsere Solidaritätspraktiken immer wieder hinterfragen und lernen, wie wir uns in unserer Unterschiedlichkeit wirklich unterstützen können. Dabei müssen wir anerkennen, dass unterschiedliche Formen von Betroffenheit und Diskriminierung auch unterschiedliche Arten von Fürsorge erfordern – Fürsorge, die zugleich ein Akt des Widerstands ist. Ich
denke dabei an privilegierte weiße Menschen, die weniger privilegierten nicht-weißen Menschen Räume zur Verfügung stellen, oder an eine Aufteilung von Care-Arbeit, die sich an den Ressourcen einzelner orientiert: Wer kann wem, wie und was besorgen bzw. ermöglichen? Wie kann man Geld/Ressourcen auch im Kleinen umverteilen? Denn inmitten unseres unentbehrlichen Kampfes gegen Ausgrenzung dürfen wir niemals die Zärtlichkeit und Liebe untereinander verlernen. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere queeren Räume Orte werden, an denen nicht nur Widerstand gelebt, sondern auch füreinander und miteinander auf eine differenzierte, liebevolle Art gesorgt wird.
Publikationen und Beiträge von Amari Sharmin Shakoor in: